Erinnerungen von Angelika Zeller
Zu den Anmerkungen, Endnoten 10 und 16
Red. Vorbemerkung: Die folgenden persönlichen Erinnerungen beanspruchen nicht den Anspruch auf objektive Wiedergabe von historischen Abläufen. Diese Erinnerungen mögen stellenweise als übertrieben und einseitig erscheinen. Sie haben sich in dieser Weise stark in das persönliche Gedächtnis eingegraben. Sicherlich gibt es gleichaltrige Zeitzeugen, die diese Zeit völlig anders erlebt hatten.
Die späten Sechziger
Der Vietnamkrieg rückt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Heidelberg wird zu einem Zentrum der Protest und Studentenbewegung, Die Altstadtsanierung Zundels ruft Proteste hervor, das SPK entsteht, Wohngemeinschaften werden gegründet und und und.
Die gesellschaftlichen Umbrüche machen an den Toren der Bonifatiusgemeinde nicht hat. Kommunal- und weltpolitische Themen wie die geplante Erhöhung der Fahrpreise bei der HSB im Sommer 1969 werden in den Jugendgruppen diskutiert, einige Mitglieder mischen aktiv bei den Protesten mit, beteiligen sich an Demonstrationen und der Organisation „des Rot-Punkt Verkehrs“ Die Beschäftigung mit dem Krieg der USA in Vietnam zieht grundsätzliche Fragen nach Ausbeutung und Unterdrückung in den sog. „Dritte Welt „-Ländern nach sich.
Ganz neue Themen in den Gruppenstunden der 15-16 jährigen.
Als die Studentengemeinden (ESG und KSG) über die Weihnachtsfeiertage einen Hungerstreik vor der Jesuitenkirche gegen den Konsumterror in den Metropolen und den Hunger in der restlichen Welt organisiert, waren BDKJler*innen aus Bonifatius mit dabei, was durchaus bei der Elterngeneration für Konfliktstoff am heiligen Weihnachtsfest führt.
Die Gottesdienstbesucher*innen reagieren meist ablehnend und mache/r lässt sich gar zu üblen Beschimpfungen herab, wenn ihnen ein Flugblatt mit der Überschrift „ Spenden beruhigen das Gewissen und verschleiern die politischen Hintergründe“ in die Hand gedrückt wird.
Große Empörung gibt es bei den weiblichen Mitgliedern der Jugendverbände als Papst Paul VI die Enzyklika „ Humane Vite „ verkündet.
Endnote 16:
Jetzt war es vorbei mit dem absoluten Gehorsam gegenüber der Amtskirche, die tradierte Sexualmoral der katholischen Kirche, die Sex nur in einer hetero normativen Ehe, ausschließlich zur Erzeugung von Nachwuchs sieht, wird in Frage gestellt.
Die Beschäftigung mit dem befreienden Charakter der christlichen Botschaft hält Einzug in die Gruppenleiterrunden.
Endnote 10:
Geradezu verschlungen werden die Schriften von Leonardo Boff und Gustavo Gutierrez, die in der Theologie der Befreiung die Kirche als Verteidiger*in der Menschenrechte für die Armen sieht und die Übernahme politischer Verantwortung aus dem befreienden Geist des Evangeliums herleitet.
Selbstverständnis und pädagogischer Ansatz der Jugendarbeit verändern sich grundlegend. Die längst überholten Führungs- und Autoritätsstrukturen fallen beflügelt von der Lektüre O Neil und Paolo Freire beginnt die Entwicklung hin zur emanzipatorischen Jugendarbeit.
Traf man sich anfangs noch zum „Führerkreis“ in der Nebensakristei, entsteht jetzt ein Leitungsteam. Die Kleinteilung einzelner „Gruppen“, wie Pfadfinder, Jungschar … wird nach vielen Diskussionen, auch mit den Eltern, aufgehoben. Überkommene Rituale abgeschafft.
Man versteht sich als eine Einheit, als eine katholische Jugend, den BDKJ. Das alles wird von den Pfarrern und den Pfarrgemeinderat zwar kritisch gesehen, aber mitgetragen. Schließlich sind die Jugendlichen eine feste Größe in der Gemeinde und den Gottesdiensten.
Schon 1970 gibt es ein gemischtes Leitungsteam, die Kindergruppen werden koedukativ durchgeführt. Für die damalige Zeit unerhört! Die einzelnen Gruppenstunden (ab einem gewissen Alter) werden zugunsten von „Clubs“ aufgegeben. Für die damalige Zeit unerhört!
Die Rufe nach der Demokratie, auch in der Kirche, werden immer lauter.
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