HEIDELBERGER WESTSTADT
IM WANDEL

Ausführlicher Text zur Endnote 6 und 32, zitiert sind die gefetteten, kursiven Textteile

Red. Vorbemerkung: Die folgenden persönlichen Erinnerungen beanspruchen nicht den Anspruch auf objektive Wiedergabe von historischen Abläufen. Diese Erinnerungen mögen stellenweise als übertrieben und einseitig erscheinen. Sie haben sich in dieser Weise stark in das persönliche Gedächtnis eingegraben. Sicherlich gibt es gleichaltrige Zeitzeugen, die diese Zeit völlig anders erlebt hatten.

Meine Erinnerungen an die Zeit im BDKJ und eine Einschätzung

Sigrid Neureither

Gefettete Textteile sind als Zitate in den Artikel im Jahrbuch des Geschichsvereins übernommen worden.

„ Vom Kindergarten in St. Hildegard angefangen, über die Pfadfinderinnenzeit hin zur KJG fühlte ich mich eingebettet in ein soziales Netzwerk. Die Heimat waren die Weststadt und die aktive Teilnahme am Programm von St. Bonifaz. Da traf ich meine Freundinnen, da war ich daheim, auch was religiöse Angelegenheiten betraf.

Beim Austausch von Beichtzetteln mit Freundinnen dachte ich mir nichts, und zum Beispiel alle Kirchenlieder und den Gottesdienstverlauf zu kennen, „hatte etwas“.

Die Pfadfinderinnen zeigten, wie selbständig Mädchen unterwegs sein konnten und trugen sicher zu meinem Selbstbewusstsein bei. Der Zeitgeist veränderte sich und hatte natürlich Einfluss auf die “Gruppenstunden“.

Es gefiel mir, aktiv zu sein, sich mit gesellschaftlichen Veränderungen (1968 als Dreizehnjährige!) auseinanderzusetzen. Und natürlich der Club als gemischte Gruppe kam für mich zu einem guten Zeitpunkt.

Ich war später gerne Gruppenleiterin und hatte Spaß, neue Ideen zur Erziehung auszuprobieren. Erstaunt bin ich heute noch über das Vertrauen, das die Eltern der Kinder in uns gesteckt hatten. Mir gefiel später die Gemeinschaft auf den Freizeiten und den Teams. Religiöse und kirchliche Aspekte waren nicht mehr so wichtig, dienten aber später durchaus später als Ausgangspunkt für Vergleiche mit anderen Kulturen.

Das alles hat sicher meinem beruflichen Werdegang genutzt. Nur den radikalen gesellschaftskritischen Diskussionen habe ich mich entzogen. Vielleicht gehörte ich in diesem Punkt einfach nicht dazu. Etwas konkret mit anderen tun zu können, war wichtig für mich. Alles andere zu abgehoben. Die letzten Phasen der Entwicklung im Walzenkeller habe ich nicht mehr mitgemacht.

Ich habe mich gefragt, wie es dazu kam, ob man den Bruch „festmachen“ kann.

Ich denke schon, dass es erschreckend für viele Gemeinderepräsentierende war,als sie feststellten, dass ein Teil der Jugend den Pfad der Tugend verließ und sich nicht mehr an das: „Das haben wir immer so gemacht“ hielt.

Aber genau so wurde es auch kommuniziert.: „Das geht nicht, ihr dürft das nicht, das durchbricht die Tradition. Die Jugend ist kommunistisch unterwandert.“  Das war wie eine Mauer, selbst wenn sich einmal Gespräche ergaben.

Erst jetzt habe ich verstanden, es war wirklich das mangelnde Zugehen auf die „Rebellen“. Und erst jetzt, nachdem es im Zusammenhang mit diesem Artikel um ein Zitat meiner Mutter ging, konnte sich einer meiner Brüder erinnern, dass unsere Mutter den Alexander S. Neil auf dem Nachttisch liegen hatte (sicher war auch das „Konradsblatt“ in greifbarer Nähe). Sie hatte sich einfach interessiert und das „Unerhörte“ getan, tatsächlich gelesen, was die Jugend umtreibt. 

Was wäre gewesen, wenn mehr Gemeindemitglieder sich auf eine echte Diskussion eingelassen hätten? Wenn sie tatsächlich sich informiert hätten? Vielleicht hätte es einfach auch einmal ein paar nette Gesten geben können.  Vielleicht hätte auch klarer ein offener  religiöser Dialog gesucht werden müssen.

Angebote zum Gespräch seitens der Jugend gab es genug. Vielleicht wäre mancher „Hitzkopf“ von damals zu „halten“ gewesen. Schließlich war für viele die Jugend von Sankt Bonifaz das Zuhause. Aber diese Chance hatte die Gemeinde nicht genutzt.  Sie wollte erprobte Pfade nicht verlassen, hat das Potenzial nicht sehen wollen. Der junge Stadtpfarrer stand ziemlich alleine auf weiter Flur und wurde dann „links überholt, und es kam, dass „eine ganze Generation verloren ging,“ wie es auch in dem Artikel steht.

Letztendlich ging es dann nur noch um „Machtverhältnisse. Ja, man kann von Unversöhnlichkeit sprechen. Die religiösen Aspekte blieben auf der Strecke, es entwickelte sich schnell eine enorm fortschrittliche Jugendarbeit, die im „Kulturfenster“ mündet. Die Kirche wurde quasi aus dem Dorf entlassen. Es hat sich eben so ereignet.

Ich bin sicher, dass alles, was die „Rebellen“ taten für die Zeit in Ordnung war. Irgendwie ist das keine Geschichte mit einem richtigen „Happy End“, aber eine wahre Geschichte.„